Die Metzgete-Saison hat begonnen. Eine ganz besondere Gruppe weiblicher Gourmets hat sich einen Abend reserviert und in Nunningen das Traditionsessen genossen.
Nicht, dass die zehn attraktiven Damen etwa mit einem der letzten Air-Berlin-Flüge eingeflogen oder mit einem Flixbus aus München angereist wären, weil sie von der Tourismus-Werbung verlockt wurden. Nein, sie wohnen (fast) alle in Nunningen und sind hier verwurzelt. Aber wieso denn im Dirndl und mit Décolleté? «Weils Spass macht und gut aussieht», kommts keck aus der Ecke und gleich wird klar, dass der Name des Restaurants «Frohsinn» gut zu dieser Runde mit den lockeren Sprüchen passt. Ob in südbadischer Tracht, Party-Dirndl oder Gothic-Folklore: Fesch sehen sie aus, die «Mädels» aus dem Thierstein. Alle kennen sich seit langem und man trifft sich regelmässig – ohne Männer. Keine Chance als Mann, auch nicht im Knödeljackett? Niemals nicht, never ever. «Unser Motto ist: Es ist nichts los, aber wir sind dabei!» präzisiert Hanne.
Nichts los? Eben war noch Oktoberfest und eine Woche später Metzgete. Um 11 Uhr war Auftakt im «Frohsinn», dem Restaurant mit Tradition. Wirt Roger Henz richtet in der Küche Teller nach Teller, Platte nach Platte an, den ganzen Tag lang. Die Gäste stehen Schlange; ohne Reservation hat man keine Chance, in den verschiedenen Sääli einen Platz zu ergattern. Das Fleisch für die Nunninger-Metzgete liefert der Bruder des «Frohsinn»-Wirts, Rolf Henz von der gleichnamigen Metzgerei in Laufen.
Eine Bratwurst ist noch keine Metzgete
Im Nachhinein, nachdem die zwei Sissacher Sauen medial auf allen Kanälen genügend ausgeschlachtet worden sind und ein Pfarrer gar meinte, mit einer Selbstgeisselung für die Tiere Gutes zu tun, kann so eine Metzgete vielleicht etwas nüchterner betrachtet werden. Hanne aus der Dirndl-Gruppe, die schon als Kind wusste, dass Koteletts nicht im Coop-Lagerhaus wachsen, erzählt sehr bildhaft: «Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und kann mich an die jährliche Metzgete gut erinnern. Frühmorgens schon kam der Störmetzger, der die Sau per Kopfschuss tötete. Dann wurde sie ausgeblutet und in einen Bottich mit kochendem Wasser gelegt. Mit Schabern mussten wir die Borsten lösen. Die Därme zu waschen war etwas gruusig. Schon zum Znüni gab es jeweils Herz und Nieren als Delikatesse. Mit nackten Armen hat meine Grossmutter Blut und Rahm verrührt, bis die Flüssigkeit stockte und in die Därme gefüllt werden konnte. Alles war rot. Jedes Jahr mussten wir zudem einem bestimmten Herrn das Hirn in einem Mucheli überbringen und es über die Strasse tragen. Die ganze Arbeit wurde mit Sorgfalt und Respekt ausgeführt.» So der authentische Bericht von jemandem, der dabei war.
Metzger Kevin Schaad aus Flüh bestätigt: «Man hat die Tiere im Herbst geschlachtet, um sie über den Winter nicht durchfüttern zu müssen. Durch Kochen, Pökeln und Trocknen wurde das Fleisch konserviert und man erhielt Würste, Speckseiten, Hamme, Schüfeli und Rippli.» Blut und Leber, die Lunge, Wädli, Ohren etc. wurden sofort verarbeitet und frisch gegessen. Filets, Nierstücke und Koteletts blieben für die Festtage übrig. «Eigentlich hat man nur die Augen nicht verwertet», meint Schaad. Sogar die Borsten wurden zu Bürsten und Pinsel verarbeitet. Gute Sau!
Wädli, Ohrli, Füessli, Schwänzli und Schörrli als Gnagi gibt es im «Frohsinn» jedoch nicht. «Die Nachfrage ist nicht mehr da», meint der Wirt. Die Metzgete-Teller sehen auch für urbane Augen urig-appetitlich aus. Blut- und Leberwürste, Saucissons, Speck und Koteletts sind mit Zwiebelsauce, Rösti, Suurchrut und Apfelschnitz garniert und wer will, kann auch Salat dazu essen. Das ist dann schon fast wieder vegetarisch.
Doch zurück zu den Nunninger Dirndl: Alle haben nach geraumer Zeit, die mit dem Austausch der neusten Neuigkeiten ausgefüllt war, inzwischen ihre Teller bekommen und sind bereit zum Anstossen. Was trinkt man denn eigentlich zum Schlachtteller? Bier, suure Most, Rotwein oder Rivella, je nach Gusto. Wichtig ist, dass man das Glas heben und sich einen guten Appetit wünschen kann. Auf los gehts los, der Abend ist noch lang und zu erzählen gibt es viel …
Metzgete-Kalender
Die nächste Metzgete im Nunninger «Frohsinn» findet vom 24. bis 26. November 2017 statt. Metzgete gibts natürlich auch in anderen Restaurants des Schwarzbubenlandes und des Laufentals. Einen Metzgete-Kalender finden sie auf unserer Website
www.metzgetekalender.ch